Schlichte Perfektion   | Sächsische Zeitung, 10.9.2003

Mikko Heikkinen und Markku Komonen erhalten morgen die Heinrich-Tessenow-Medaille in Gold


Als der Architekt Heinrich Tessenow 1911 die fast fertige Dalcroze-Schule, das heutige Festspielhaus Hellerau, übergab, hatte er nicht nur Befürworter. Die schmucklose Kühle der Fassade und die klare Symmetrie der gesamten Anlage empfanden Kollegen wie Betrachter als unangemessen und kühn. Die weitere Entwicklung zeigte, dass Tessenows Bau ein wichtiger Impulsgeber auf dem Weg zu einer Moderne in der Architektur war. Heute zählt das Festspielhaus Hellerau, das als erstes größeres Bauwerk des damals 35-jährigen Architekten gilt, zu den wichtigsten seines Werkes.

Wohl auch aus diesem Grund hat sich die Alfred Toepfer Stiftung Hamburg entschlossen, die alljährlich vergebene Medaille am Wirkungsort Tessenows zu verleihen. Die Jury verweist damit auf Planer, die über die eigenen Landesgrenzen hinaus Wegweisendes zur Baukultur im Sinne Tessenows beitrugen.

Die diesjährigen Preisträger, die beiden Finnen Heikkinen und Komonen, sorgten weltweit für Furore. Die finnische Botschaft in Washington sowie ein Museumsprojekt für die Sammlung zeitgenössische Kunst in Sydney sollen nur beispielgebend für diese internationale Akzeptanz genannt sein. Bei der deutschsprachigen Fachwelt fanden sie Aufmerksamkeit mit ihrem Wettbewerbsbeitrag für die Neugestaltung des Plenarsaales des Bayerischen Parlamentes. Mit dem Bau des Max-Planck-Institutes für Molekularbiologie und Genetik in Dresden stellen sie nun auch in Sachsen ihre architektonische Handschrift vor.

Seit Frühjahr des vergangenen Jahres irritiert die nicht alltägliche Fassade des Forschungsgebäudes quer zur Pfotenhauer Straße die Passanten. Eine grüne Gitterstruktur umhüllt den eigentlichen Baukörper. Sie ist Schutz vor einfallendem Sonnenlicht und gestalterisches Element gleichermaßen. Dahinter schimmern die blauen Fassadenelemente in immer neuen Schattierungen, wenn sich der Standort des Betrachters verändert. Außenansicht und innere Gestalt bestechen dabei mit unaufdringlicher Sachlichkeit – die Wahl der Materialien ebenso betreffend wie deren Verarbeitung und Ursprünglichkeit. Die Klarheit im Ausdruck und die technische Perfektion, die von den Architekten angestrebt wird, ist bezeichnend für ihre Entwürfe. Die Umsetzung eines Leitspruchs der Architektur, die von Mies van der Rohe, einem Großmeister der Moderne, geprägt wurde, hat das ästhetische Werk der Finnen nachhaltig bestimmt: „Less is more“ – weniger ist mehr – ist zum Programm des finnischen Duos geworden. Die Sensibilisierung für Licht, Schutz vor extremen Wettereinflüssen und das ökologisch verträgliche Beheizen und Lüften der Gebäude ist auf die skandinavischen Erfahrungen mit Klimaextremen zurückzuführen.

Obgleich die Ära des Architekten Alvar Aalto (1898 – 1976) die europäische Moderne in Finnland heute noch bestimmt, gelten Mikko Heikkinen und Markku Komonen als Erneuerer, die entscheidende Anstöße zur Reflexion der allzu dogmatisch entwickelten Moderne geben. Das Büro beschreitet eigene Wege, die Tradition und Innovation miteinander vereinen.