Als der Architekt Heinrich Tessenow 1911
die fast fertige Dalcroze-Schule, das heutige Festspielhaus Hellerau,
übergab, hatte er nicht nur Befürworter. Die schmucklose Kühle der
Fassade und die klare Symmetrie der gesamten Anlage empfanden Kollegen
wie Betrachter als unangemessen und kühn. Die weitere Entwicklung
zeigte, dass Tessenows Bau ein wichtiger Impulsgeber auf dem Weg zu
einer Moderne in der Architektur war. Heute zählt das Festspielhaus
Hellerau, das als erstes größeres Bauwerk des damals 35-jährigen Architekten
gilt, zu den wichtigsten seines Werkes.
Wohl auch aus diesem Grund hat sich die Alfred Toepfer Stiftung Hamburg
entschlossen, die alljährlich vergebene Medaille am Wirkungsort Tessenows
zu verleihen. Die Jury verweist damit auf Planer, die über die eigenen
Landesgrenzen hinaus Wegweisendes zur Baukultur im Sinne Tessenows
beitrugen.
Die diesjährigen Preisträger, die beiden Finnen Heikkinen und Komonen,
sorgten weltweit für Furore. Die finnische Botschaft in Washington
sowie ein Museumsprojekt für die Sammlung zeitgenössische Kunst in
Sydney sollen nur beispielgebend für diese internationale Akzeptanz
genannt sein. Bei der deutschsprachigen Fachwelt fanden sie Aufmerksamkeit
mit ihrem Wettbewerbsbeitrag für die Neugestaltung des Plenarsaales
des Bayerischen Parlamentes. Mit dem Bau des Max-Planck-Institutes
für Molekularbiologie und Genetik in Dresden stellen sie nun auch
in Sachsen ihre architektonische Handschrift vor.
Seit Frühjahr des vergangenen Jahres irritiert die nicht alltägliche
Fassade des Forschungsgebäudes quer zur Pfotenhauer Straße die Passanten.
Eine grüne Gitterstruktur umhüllt den eigentlichen Baukörper. Sie
ist Schutz vor einfallendem Sonnenlicht und gestalterisches Element
gleichermaßen. Dahinter schimmern die blauen Fassadenelemente in immer
neuen Schattierungen, wenn sich der Standort des Betrachters verändert.
Außenansicht und innere Gestalt bestechen dabei mit unaufdringlicher
Sachlichkeit – die Wahl der Materialien ebenso betreffend wie deren
Verarbeitung und Ursprünglichkeit. Die Klarheit im Ausdruck und die
technische Perfektion, die von den Architekten angestrebt wird, ist
bezeichnend für ihre Entwürfe. Die Umsetzung eines Leitspruchs der
Architektur, die von Mies van der Rohe, einem Großmeister der Moderne,
geprägt wurde, hat das ästhetische Werk der Finnen nachhaltig bestimmt:
„Less is more“ – weniger ist mehr – ist zum Programm des finnischen
Duos geworden. Die Sensibilisierung für Licht, Schutz vor extremen
Wettereinflüssen und das ökologisch verträgliche Beheizen und Lüften
der Gebäude ist auf die skandinavischen Erfahrungen mit Klimaextremen
zurückzuführen.
Obgleich die Ära des Architekten Alvar Aalto (1898 – 1976) die europäische
Moderne in Finnland heute noch bestimmt, gelten Mikko Heikkinen und
Markku Komonen als Erneuerer, die entscheidende Anstöße zur Reflexion
der allzu dogmatisch entwickelten Moderne geben. Das Büro beschreitet
eigene Wege, die Tradition und Innovation miteinander vereinen.
|