Fast 70 Jahre sind vergangen. Jetzt haben
die Deutschen Werkstätten Hellerau wieder einen Neubau aus Holz auf
ihrem Gelände. Bereits 1934 hatte das Traditionsunternehmen mit der
Ausstellung "Die neue Zeit" einen Vorstoß in die Produktion von Typenhäusern
gewagt. Damals wurden 15 Musterhäuser auf der neu angelegten Straße
Am Sonnenhang errichtet. Die Architekten Wilhelm Kreis, Eugen Schwemmle
und Oswin Hempel lieferten ein Komplettangebot, das bis zum eingerichteten
Wohnzimmer keinen Wunsch offen ließ. Die Werbeschau war damals ein
Erfolg. Alle Häuser konnten schon am Eröffnungstag verkauft werden.
Der unternehmerische Fremdgang hatte dennoch keinen Bestand. Die Produktion
der Holzhäuser wurde eingestellt.

Fortan widmeten sich die Hellerauer Werkstätten wieder ausschließlich
dem Möbelbau. Prestigeobjekte und Serienfertigungen bestimmten das
Bild nach dem Krieg. Anfang der 90er Jahre erkannte man die veränderte
Marktsituation. Ein Neuanfang machte die Teilung der Aufgabenbereiche
in bauliche Instandsetzung und eigentlicher Möbelproduktion unumgänglich.
Denn der Mythos schwebt noch immer über dem idyllischen Ort, der Anfang
des 20.Jh. das Verknüpfen von Arbeiten und Wohnen erprobte. Das Traditionsunternehmen,
das so eng mit der ersten deutschen Gartenstadt verbunden ist, blickt
mittlerweile auf ein 100 jähriges Bestehen zurück. Das war Anlass
genug für das Deutsche Architektur Museum in Frankfurt am Main den
Hellerauer Werkstätten kürzlich eine Ausstellung zu widmen. "Mythos
Hellerau - Ein Unternehmen meldet sich zurück" ist nun als zweite
Station auch in der werkseigenen Galerie zu sehen.

Auch das Werksgelände hat sich mittlerweile gemausert. Die "Schraubzwinge",
wie der Komplex treffender Weise nach der 1909 von Richard Riemerschmid
geplanten Grundrissgestalt ausgeführt wurde, ist heute wieder in seiner
ursprünglichen Form zu erleben. Doch der harzige Geruch frisch gehobelten
Holzes dringt nicht mehr aus den ehemaligen Maschinensälen. Vorrangig
Architekten, Designer, Werbeleute und ein Biotechnologieunternehmen
haben sich von der guten Adresse anziehen lassen. Damit dieses sogenannte
kreative Potential auch in Zukunft den Ort beehrt, hat man nun erstmals
auch einen Neubau gewagt. Der Tradition verhaftet, besann man sich
wieder des Baustoffes Holz. Diesmal aber nicht aus eigener Werkstatt
und ohne auf die Wiederbelebung des Fertighauszweiges zu spekulieren.
Als Modellprojekt wird es beschrieben, weil die Planungsleistungen
und die Entwicklung des Kreuzlagenholzes als tragenden Baustoff von
der Fakultät für Bauingenieurwesen der TU Dresden geleistet wurden.
Zusätzlich förderte die Deutsche Stiftung Umweltschutz das Vorhaben,
das deutlich auf regenerative Baustoffe und Energien setzt.

Das zweigeschossige Gebäude schmiegt sich unauffällig an die Mauer,
die das Betriebsgelände nach Süden begrenzt. Kubator und Höhe beziehen
sich auf den Lagerschuppen, der vorher dort stand. Mit einer Neigung
von 60 Grad ist das Dach nach Süden optimal für die Photovoltaikelemente
geeignet. Nach Norden beschließt eine Begrünung die geneigte Fläche.
Aus der misslichen Ausrichtung der 60 Meter langen Gebäudezeile machten
die Planer um das Team von Prof. Haller und Prof. Morgenstern sowie
des Jungarchitekten Albrecht Quincke eine Tugend. Während die Lage
an der Stützwand nur ein schmales Fensterband zur Straße zulässt,
öffnen sich die Atelierräume zum Innenhof in voller Höhe. Tiefblau
gefärbte Eingangstüren markieren die eindeutige Zonierung in 6 gleichartige
Module. Ideale Arbeitsbedingungen finden die Mieter, die sich im Obergeschoss
einen Wohnbereich einrichten können, sofern sie die totale Nordausrichtung
nicht stört. Beim Innenausbau wollte man die Holzoberfläche der Wände
erlebbar machen. Die raue, astdurchwachsene Optik wird aber der Gewöhnung
vorhandener Sehmechanismen bedürfen. Lackierte Holzplatten in Braun
dominieren indes die Außenfassade. Das Gebäude mutet fast wie ein
Werkstück an - ein Holzmöbel, das als Einzelstück bald in Serienfertigung
gehen könnte. Das Experiment ist gelungen. An die Weiterentwicklung
des Bauens mit Holz denkt man vorerst nicht. Auf dem Werkstättenhof
steht für die nahe Zukunft der Umbau des ehemaligen Spänelagers auf
dem Plan.
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