Dresden - Hellerau   | Bauwelt, 28.3.2003

Neubau auf dem Gelände der Deutschen Werkstätten Hellerau


Fast 70 Jahre sind vergangen. Jetzt haben die Deutschen Werkstätten Hellerau wieder einen Neubau aus Holz auf ihrem Gelände. Bereits 1934 hatte das Traditionsunternehmen mit der Ausstellung "Die neue Zeit" einen Vorstoß in die Produktion von Typenhäusern gewagt. Damals wurden 15 Musterhäuser auf der neu angelegten Straße Am Sonnenhang errichtet. Die Architekten Wilhelm Kreis, Eugen Schwemmle und Oswin Hempel lieferten ein Komplettangebot, das bis zum eingerichteten Wohnzimmer keinen Wunsch offen ließ. Die Werbeschau war damals ein Erfolg. Alle Häuser konnten schon am Eröffnungstag verkauft werden. Der unternehmerische Fremdgang hatte dennoch keinen Bestand. Die Produktion der Holzhäuser wurde eingestellt.

Fortan widmeten sich die Hellerauer Werkstätten wieder ausschließlich dem Möbelbau. Prestigeobjekte und Serienfertigungen bestimmten das Bild nach dem Krieg. Anfang der 90er Jahre erkannte man die veränderte Marktsituation. Ein Neuanfang machte die Teilung der Aufgabenbereiche in bauliche Instandsetzung und eigentlicher Möbelproduktion unumgänglich. Denn der Mythos schwebt noch immer über dem idyllischen Ort, der Anfang des 20.Jh. das Verknüpfen von Arbeiten und Wohnen erprobte. Das Traditionsunternehmen, das so eng mit der ersten deutschen Gartenstadt verbunden ist, blickt mittlerweile auf ein 100 jähriges Bestehen zurück. Das war Anlass genug für das Deutsche Architektur Museum in Frankfurt am Main den Hellerauer Werkstätten kürzlich eine Ausstellung zu widmen. "Mythos Hellerau - Ein Unternehmen meldet sich zurück" ist nun als zweite Station auch in der werkseigenen Galerie zu sehen.

Auch das Werksgelände hat sich mittlerweile gemausert. Die "Schraubzwinge", wie der Komplex treffender Weise nach der 1909 von Richard Riemerschmid geplanten Grundrissgestalt ausgeführt wurde, ist heute wieder in seiner ursprünglichen Form zu erleben. Doch der harzige Geruch frisch gehobelten Holzes dringt nicht mehr aus den ehemaligen Maschinensälen. Vorrangig Architekten, Designer, Werbeleute und ein Biotechnologieunternehmen haben sich von der guten Adresse anziehen lassen. Damit dieses sogenannte kreative Potential auch in Zukunft den Ort beehrt, hat man nun erstmals auch einen Neubau gewagt. Der Tradition verhaftet, besann man sich wieder des Baustoffes Holz. Diesmal aber nicht aus eigener Werkstatt und ohne auf die Wiederbelebung des Fertighauszweiges zu spekulieren. Als Modellprojekt wird es beschrieben, weil die Planungsleistungen und die Entwicklung des Kreuzlagenholzes als tragenden Baustoff von der Fakultät für Bauingenieurwesen der TU Dresden geleistet wurden. Zusätzlich förderte die Deutsche Stiftung Umweltschutz das Vorhaben, das deutlich auf regenerative Baustoffe und Energien setzt.

Das zweigeschossige Gebäude schmiegt sich unauffällig an die Mauer, die das Betriebsgelände nach Süden begrenzt. Kubator und Höhe beziehen sich auf den Lagerschuppen, der vorher dort stand. Mit einer Neigung von 60 Grad ist das Dach nach Süden optimal für die Photovoltaikelemente geeignet. Nach Norden beschließt eine Begrünung die geneigte Fläche. Aus der misslichen Ausrichtung der 60 Meter langen Gebäudezeile machten die Planer um das Team von Prof. Haller und Prof. Morgenstern sowie des Jungarchitekten Albrecht Quincke eine Tugend. Während die Lage an der Stützwand nur ein schmales Fensterband zur Straße zulässt, öffnen sich die Atelierräume zum Innenhof in voller Höhe. Tiefblau gefärbte Eingangstüren markieren die eindeutige Zonierung in 6 gleichartige Module. Ideale Arbeitsbedingungen finden die Mieter, die sich im Obergeschoss einen Wohnbereich einrichten können, sofern sie die totale Nordausrichtung nicht stört. Beim Innenausbau wollte man die Holzoberfläche der Wände erlebbar machen. Die raue, astdurchwachsene Optik wird aber der Gewöhnung vorhandener Sehmechanismen bedürfen. Lackierte Holzplatten in Braun dominieren indes die Außenfassade. Das Gebäude mutet fast wie ein Werkstück an - ein Holzmöbel, das als Einzelstück bald in Serienfertigung gehen könnte. Das Experiment ist gelungen. An die Weiterentwicklung des Bauens mit Holz denkt man vorerst nicht. Auf dem Werkstättenhof steht für die nahe Zukunft der Umbau des ehemaligen Spänelagers auf dem Plan.